3.1.2 Score ist ein (einziger) zusammengesetzter musikalischer Ausdruck

Im vorigen Kapitel, Einführung in die Dateistruktur von LilyPond, wurde die allgemeine Struktur einer LilyPond-Quelldatei beschrieben. Aber anscheinend haben wir die wichtigste Frage ausgelassen, nämlich wie man herausfindet, was nach dem \score geschrieben werden soll.

In Wirklichkeit ist das aber gar kein Geheimnis. Diese Zeile ist die Antwort:

Eine Partitur fängt immer mit \score an, gefolgt von einem einzelnen musikalischen Ausdruck.

Vielleicht wollen Sie noch einmal Musikalische Ausdrücke erklärt überfliegen. In diesem Kapitel wurde gezeigt, wie sich große musikalische Ausdrücke aus kleinen Teilen zusammensetzen. Noten können zu Akkorden verbunden werden usw. Jetzt gehen wir aber in die andere Richtung und betrachten, wie sich ein großer musikalischer Ausdruck zerlegen lässt.

\score {
  {   % diese Klammer startet den großen mus. Ausdruck
    \new StaffGroup <<
      ...hier eine ganze Wagner-Oper einfügen...
    >>
  }   % diese Klammer beendet den Ausdruck
  \layout { }
}

Eine Wagner-Oper ist mindestens doppelt so lang wie dieses Handbuch, beschränken wir uns also auf einen Sänger und Klavier. Wir brauchen keine ganze Orchesterpartitur, infolgedessen können wir die Systemgruppe (StaffGroup) auslassen, aber wir brauchen einen Sänger und ein Klavier.

\score {
  {
    <<
      \new Staff = "Sänger" <<
      >>
      \new PianoStaff = "Klavier" <<
      >>
    >>
  }
  \layout { }
}

Zur Erinnerung: mit << und >> werden Noten gleichzeitig gesetzt; wir wollen ja auch Klavier- und Sängerstimme gleichzeitig und nicht hintereinander haben. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass die << ... >>-Konstruktion für die Notenzeile des Sängers eigentlich nicht unbedingt nötig wäre, da sie ja nur einen (sequenzielle) musikalischen Ausdruck enthält, nämlich alle Noten des Sängers hintereinander. Daher könnte an sich auch einfach ein {...} benutzt werden. Die Spitzklammern sind allerdings notwendig, sobald die Notenzeile mehrere parallelle Ausdrücke – wie etwa zwei parallele Stimmen oder eine Stimme mit zugehörigem Text – enthält. Wir werden die Musik später in das Beispiel einfügen, im Moment begnügen wir uns mit einigen Platzhalter-Noten und -Texten.

\score {
  <<
    \new Staff = "Sänger" <<
      \new Voice = "Singstimme" { c'1 }
      \addlyrics { And }
    >>
    \new PianoStaff = "Klavier" <<
      \new Staff = "oben" { }
      \new Staff = "unten" { }
    >>
  >>
  \layout { }
}

[image of music]

Jetzt haben wir viel mehr Details. Wir haben ein System (engl. staff) für einen Sänger, in dem sich wieder eine Stimme (engl. voice) befindet. Voice bedeutet für LilyPond eine Stimme (sowohl gesungen als auch gespielt) und evtl. zusätzlich einen Text. Zusätzlich werden zwei Notensysteme für das Klavier mit dem Befehl \new PianoStaff gesetzt. PianoStaff bezeichnet die Piano-Umgebung (etwa durchgehende Taktstriche und die geschweifte Klammer am Anfang), in der dann wiederum zwei eigene Systeme ("oben" für die rechte Hand und "unten" für die linke) erstellt werden.

Jetzt könnte man in diese Umgebung Noten einfügen. Innerhalb der geschweiften Klammern neben \new Voice = "Singstimme" könnte man

\relative c'' {
  r4 d8\noBeam g, c4 r
}

schreiben. Aber wenn man seine Datei so direkt schreibt, wird der \score-Abschnitt sehr lang und es wird ziemlich schwer zu verstehen, wie alles zusammenhängt. Darum bietet es sich an, Bezeichner (oder Variablen) zu verwenden.

melodie = \relative c'' { r4 d8\noBeam g, c4 r }
Text    = \lyricmode { And God said, }
oben    = \relative c'' { <g d g,>2~ <g d g,> }
unten   = \relative c { b2 e2 }

\score {
  <<
    \new Staff = "Sänger" <<
      \new Voice = "Singstimme" { \melodie }
      \addlyrics { \Text }
    >>
    \new PianoStaff = "Klavier" <<
      \new Staff = "oben" { \oben }
      \new Staff = "unten" {
        \clef "bass"
        \unten
      }
    >>
  >>
  \layout { }
}

[image of music]

Achten Sie auf den Unterschied zwischen Noten, die mit \relative oder direkt in einem musikalischen Ausruck eingegeben werden, und dem Text des Lieds, der innerhalb \lyricmode angegeben werden muss. Diese Unterscheidung ist für LilyPond essentiell, um zu entscheiden, ob der folgende Inhalt als Musik oder Text interpretiert werden soll. Wie könnte LilyPond sonst entscheiden, ob {a b c} die drei Noten a, b und c darstellen soll oder den Text eines Lieds über das Alphabet!

Beim Schreiben (oder Lesen) einer \score-Umgebung sollte man langsam und sorgfältig vorgehen. Am besten fängt man mit dem größten Gebilde an und definiert dann die darin enthaltenen kleineren der Reihe nach. Es hilft auch, sehr genau mit den Einzügen zu sein, so dass jede Zeile, die der gleichen Ebene angehört, wirklich horizontal an der gleichen Stelle beginnt.

Siehe auch

Benutzerhandbuch: Struktur einer Partitur.


Andere Sprachen: English, français, español.

Handbuch zum Lernen